Seit 90 Jahren halten sie das Brauchtum hoch
Geschrieben von Josef Schinagl – 06.07.2015
„Waldlerbuam“ feiern stilvolles Jubiläum– Besondere Überraschung für Sieglinde Lang – Spende an Tafel statt Geschenke
Freuen
sich über das gelungene Fest, von links: Max Fuchs (2. Vorstand
d’Ilztaler Witzmannsberg), Marco Maier (1. Vorstand Waldlerbuam), Georg
Maier (2. Vorstand Wolfstoana Buam), Fahnenmutter Bärbel Liebl
(Wolfstoana Buam), Alois Haydn (2. Vorstand Dreiflüsse-Trachtengau
Passau), Helga Huml (Fahnenmutter Waldlerbuam), Max Käser
(Volkstrachtenverein Jacking), Sieglinde Lang (2. Vorstand Waldlerbuam),
Stadtpfarrer Bruno Pöppel, Bürgermeister Heinz Pollak, Franz Kindermann
(Ehrenvorstand Waldlerbuam), Walter Söldner (1. Vorstand
Dreiflüsse-Trachtengau Passau), Renate Cerny (stv. Landrätin).
Waldkirchen/Erlauzwiesel. Wir schreiben das Jahr 1925. Paul von Hindenburg löst Friedrich Ebert als Reichspräsident ab. In der Berliner Illustrierten erscheint das erste deutsche Kreuzworträtsel. Geboren werden Hans Rosenthal, Robert Kennedy, Hildegard Knef – und der Trachtenverein „Waldlerbuam“ Waldkirchen. Das stolze Alter von 90 Jahren feierte der Verein nun mit einem zünftigen Fest auf der Seebühne in Erlauzwiesel. Ein langer Festzugmit Trachtlern und örtlichen Vereinen formierte sich in der Dorfmitte und zog mit wehenden Fahnen, musikalisch angeführt von der Trachtenkapelle „D’Freudenseer“, an den See. Die drohenden Regenwolken hatten sich rechtzeitig über den Dreisesselberg verzogen und die Sonne strahlte baldmit den Festgästen um die Wette. Begonnen hat die Feierstunde mit einem festlichen Gottesdienst, zelebriert vom Waldkirchner Stadtpfarrer Bruno Pöppel, und von D‘Freudenseer wieder mit Musik begleitet. Hackbrett, Gitarre und Zither von der Stubnmusi „Hie und da vielsaitig“ des Jubelvereins untermalten stimmungsvoll die Fürbitten mit dem Ruf „Hör an unser Flehn‘, hör an unser Bitt‘“. Die Gruppe bereicherte auch mit dem Kyrie und dem Andachtsjodler die Eucharistiefeier.
Sieglinde Lang wird das Gauehrenzeichen verliehen.
Stadtpfarrer Bruno Pöppel zelebriert den Festgottesdienst.
„Tradition hat Zukunft“
Pfarrer
Pöppel stellte seine Predigt unter das Motto „Tradition hat Zukunft“.
Dazu brachte er Gedanken zu drei Symbolen alten Brauchtums zu Gehör. Der
Herrgottswinkel: Früher kostbar und würdevoll geschmückt, sollte zeigen
– Gott hat einen festen Platz in unserem Leben. Heute steht an der
Stelle des Herrgottswinkels oftmals ein großer Fernseher, einer der
ärgsten Gesellschaftskiller. „Saß man früher in geselliger Runde am
Tisch und unterhielt sich, spielt man heute mit dem Handy und schweigt
sich an. Nehmt euch doch wieder Zeit für einander und betet
miteinander“, resümierte Pöppel. Dann die religiöse Kunst: Hierzu gab
der Prediger zu bedenken, was der Mensch sieht, prägt seine Gefühle,
sein Denken, seine Worte und seine Taten. „Wenn ihr nur noch
Alltägliches und nichts Heiliges mehr anschaut, dann wundert euch nicht,
dass euch nur noch Banales interessiert und der Glaube in euch stirbt.“
Ein weiteres Sinnbild des Brauchtums ist der Weihwasserkessel: Das
Weihwasser soll an die Taufe erinnern. „Was spricht dagegen, manchen
guten Brauch wieder zu verlebendigen? Tradition heißt, das Feuer von
damals weitergeben, das Leben besser bewältigen. Im diesem Sinne
verstanden, hat Tradition Zukunft.“ Zum runden Geburtstag hieß
Vereinsvorsitzender Marco Maier schließlich die Gäste herzlich
willkommen. Namentlich be begrüßte er die Fahnenmütter Helga Huml von
den Waldlerbuam und Bärbel Liebl vom Freyunger Patenverein, 1.
Bürgermeister Heinz Pollak und seinen Stellvertreter Max Ertl sowie
stellvertretende Landrätin Renate Cerny. Vom Dreiflüsse-Trachtengau den
1.Gauvorstand Walter Söldner mit seinen Stellvertretern Alois Haydn und
Andreas Ginglseder, den Bezirksvorstand Bruno Schurm, Ehrenvorstand
Franz Kindermann und die Patenvereine „d’Ilztaler“ aus Witzmannsberg,
„Wolfstoana Buam“ aus Freyung und den Volkstrachtenverein Jacking. Bei
Stadtpfarrer Bruno Pöppel bedankte sich Maier für den würdevollen
Gottesdienst. Stellvertretend für die vielen übrigen Gäste nannte er die
„Holzhackerbuam“ aus Erlauzwiesel und die „Grenzlerbuam“ aus Ratzing.
Die Feuerwehren aus dem Stadtgebiet Waldkirchen und der Soldaten- und
Kriegerverein Waldkirchen waren ebenfalls mit Abordnungen vertreten. In
einem kurzen Rückblick wurde der stetige Aufschwung des Trachtenvereins
beleuchtet. Begann man 1925 mit 23 Mitgliedern, so ist der Verein heute
auf stattliche 182 angewachsen. Mit dem Wahlspruch „Getreu dem guten
alten Brauch“ nimmt sich der Verein nicht nur der Pflege der Trachten
und Tänze an, sondern setzt sich auch für den Erhalt und die
Instandsetzung von Kreuzen, Marterln und Kirchenkunst ein. Mit Stolz
sprach er die Jugend an, die voll hinter dem Trachtenverein steht. Auf
Ehrungen hatte der Festausschuss bewusst verzichtet, jedoch sollte
„Trachtlerurgestein“ und 2. Vorsitzende Sieglinde Lang für 50 Jahre
Vereinszugehörigkeit besonders hervorgehoben und ausgezeichnet werden.
Zudem hielt auch Gauvorstand Walter Söldner eine besondere Überraschung
für die Trachtlerin bereit. Für ihren langjährigen ehrenamtlichen
Einsatz um Heimat- und Brauchtumspflege wurde ihr das seltene
Ehrenzeichen des Trachtengaus verliehen. Bescheiden und sichtlich
gerührt nahm Lang die Ehrungen entgegen. Die Vorstandschaft hatte
vereinbart, anstelle von Erinnerungsgeschenken den Geldwert der
Waldkirchner Tafel zu spenden, was mit viel Applaus gelobt wurde. Die
drei Patenvereine aus Witzmannsberg, Freyung und Jacking hatten
Geburtstagsgeschenke dabei. Für die originellen Einfälle bedankte sich
Vorstand Maier, ebenso für die zahlreiche Teilnahme an der
Jubiläumsfeier. Nach dem offiziellen Teil spielte die Freyunger
Tanzlmusi zu einem offenen Volkstanz auf, bei dem sich jeder gern
beteiligen konnte. Immer wieder hörte man aus dem Kreis der Gäste:
„Bleibt so wie ihr seid! Wir freuen uns auf ein Wiedersehen zum
100-Jährigen in zehn Jahren.“
Fotos: Josef Schinagl